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Trotz Corona: Schausteller wollen wieder ortsfeste Freizeitparks im Außenbereich betreiben dürfen

Klage vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof: Bald wieder Kerwas / Kirchweihen / Volksfeste / Weihnachstmärkte?
Warum dürfen ortsfeste Freizeitparks im Außenbereich trotz Corona betrieben werden, Fahrgeschäfte auf Volksfesten aber nicht? Diese Frage liegt nun vor Gericht.
SCHWEINFURT – Vom Frühjahr bis zum Spätsommer – in dieser Zeit finden die Volksfeste und Kirchweihen statt. Vielerorts dreht sich dann das Kinderkarussell, locken der Autoscooter, die Schiffschaukel, das Bungee-Trampolin, die Tüte mit gebrannten Mandeln, das Softeis. All dies hat das Niederwerrner Volksfestunternehmen Uebel&Sachs im Angebot.
In den warmen Monaten ziehen Karl Uebel und Ulrike Sachs mit ihrem Vergnügungspark und den Mitarbeitern – die Familienmitglieder, zehn Festangestellte und etliche Aushilfen – von einem Volksfest zur nächsten Kirmes. Mit seinen Fahrgeschäften und Süßigkeitenständen ist er beim Weinfest in Volkach und der Kirchweih in Knetzgau genauso vertreten wie bei Festen in Schwandorf oder Bad Mergentheim.
Alle Fahrgeschäfte befinden sich im Depot
Wäre dieses Jahr wie jedes andere, das Niederwerrner Volksfestunternehmen hätte bisher schon elf Volksfeste und Kirchweihen in Franken, der Oberpfalz und Baden-Württemberg hinter sich. Vor sich hätte es als Nächstes Mitte August das Volkacher Weinfest und die Knetzgauer Kirchweih und weitere sieben Veranstaltungen im September.
Doch dieses Jahr ist nicht wie die anderen. Gerade, als die Saison für die Schausteller begonnen hatte, legte die Corona-Pandemie das wirtschaftliche Leben im Land weitgehend lahm. Doch seit den ersten Ausgangsbeschränkungen, Geschäftsschließungen und Veranstaltungsverboten sind viele Einschränkungen wieder aufgehoben oder abgemildert worden. Geschäfte, Einkaufszentren, die Gastronomie durften unter Auflagen wieder öffnen.
Karl Uebel aber hat seine Fahrgeschäfte, Verkaufsstände und Transporter heuer noch keinen Zentimeter bewegt. Seit dem Spätjahr 2019 steht alles ungenutzt im Lager, und wenn es nach den Vorstellungen des bayerischen Ministerpräsidenten geht, werden sie womöglich auch für den Rest des Jahres im Depot bleiben.
Denn nach der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung des Gesundheitsministeriums vom 19. Juni sind „Ansammlungen sowie öffentliche Festivitäten landesweit untersagt“: Volksfeste und Kirchweihen. Zu befürchten sei, dass diese Bestimmung laut Ministerpräsident Söder bis Ende Oktober verlängert werde. Die Schaustellersaison wäre für Uebel und Kollegen gelaufen, ohne jeden Umsatz.
Rechtsanwalt sieht Schausteller In ihrem Grundrecht verletzt
Uebel und zwei Kollegen haben deshalb Ende Juni eine Normenkontrollklage beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingereicht mit dem Ziel, dass das pauschale, bayernweite Verbot öffentlicher Feste für ungültig erklärt und bis zur endgültigen Gerichtsentscheidung außer Vollzug gesetzt wird. Sie werden von der Nürnberger Kanzlei für öffentliches Wirtschaftsrecht Bühner & Partner vertreten.
Rechtsanwalt Arnd Bühner argumentiert in der 13-seitigen Normenkontrollklage, anders als eine geeignete Regulierung sei „ein Lockdown von Kirchweihen und Volksfesten nicht gerechtfertigt“.
Die Schausteller seien in ihrem Grundrecht auf freie Berufsausübung nach Artikel 12 Grundgesetz verletzt. Die pauschale Untersagung öffentlicher Feste komme „einem faktischen Berufsverbot für die Antragsteller gleich“. Sie würden außerdem in ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung verletzt, etwa im Vergleich zu Wochenmärkten, Fußgängerzonen oder Außenbereichen von ortsfesten Freizeitparks, die schließlich geöffnet seien.
Hoffnung auf eine positive Münchner Gerichtsentscheidung zieht Bühner aus dem jüngsten Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Münster, das die Corona-Beschränkungen für das öffentliche Leben im gesamten Kreis Gütersloh vorläufig außer Vollzug gesetzt hatte. Das Land Nordrhein-Westfalen hätte
nach dem Corona-Ausbruch beim Fleischverarbeiter Tönnies inzwischen eine differenziertere Regelung erlassen müssen. Ein Lockdown für den ganzen Kreis sei nicht mehr verhältnismäßig, hatte das Oberverwaltungsgericht Münster geurteilt.
Für Anwalt Bühner gilt Gleiches für das bayerische Verbot von allen öffentlichen Festen. Offenbar habe das Gesundheitsministerium dabei das Münchner Oktoberfest vor Augen gehabt – nicht aber kleinere Volksfeste. Das pauschale Festeverbot zulasten der Schausteller sei unverhältnismäßig.
Verschärfend komme hinzu, dass es für sie nicht einmal eine Entschädigung für den Umsatzausfall gebe, so Bühner. Die „Diskriminierung“ der Schausteller gegenüber anderen Gewerbetreibenden wie ortsfesten Freizeitparks, Seilbahnen und Gastronomiebetreibern habe „existenzgefährdende Auswirkungen“. Rechtsanwalt Bühner rechnet diese Woche mit einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs über die beantragte einstweilige Anordnung.
Aiwanger will nach Möglichkeit Weihnachtsmärkte öffnen lassen
„Wir jammern nicht“, sagt Karl Uebel, „wir wollen nur – wie andere auch – unter entsprechenden Auflagen arbeiten dürfen. Und: Er klage nicht nur für den eigenen Betrieb, sondern für alle Kollegen. Er ist auch Vorsitzender des Fränkischen Schaustellervereins mit Sitz in Schweinfurt.
Derweil hat Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger angekündigt, nach Möglichkeit im Advent die bayerischen Weihnachtsmärkte öffnen zu lassen. Das sagte der Freie Wähler-Chef am Donnerstag nach Angaben seines Ministeriums auf einer Protestkundgebung von Schaustellern und Marktkaufleuten in München. Aiwanger lobte das Konzept der „dezentralen Volksfeste“, wie es die Landeshauptstadt München und andere Kommunen verfolgen. „Wir müssen dafür sorgen, dass Sie bald wieder Ihren Geschäften nachgehen können“, sagte Aiwanger demnach.
Laut Ministerium laufen bereits intensive Planungen, wie Märkte und Ersatzveranstaltungen wieder öffnen können: „Das wird etwas anders aussehen als gewohnt, ohne enge Bieroder Weinzelte, und natürlich mit Abstand.“
Nach Polizeiangaben hatten sich auf dem Odeonsplatz in München rund 600 Schausteller versammelt, um die baldige Wiedereröffnung von Volksfesten und Märkten zu verlangen.
von Stefan Sauer
Quelle: Main-Post, Ausgabe 10. Juli 2020

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