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Modernisierung des EU-Vergaberechts

Modernisierung des EU-VergaberechtsBundesgesetzgeber muss bis April 2016 handeln

Modernisierung des EU-Vergaberechts – Bundesgesetzgeber muss bis April 2016 handeln

Bedeutung des Vergaberechts

Bekannt wurde die Neuordnung des Vergaberechts durch die kontrovers diskutierte Zwangsprivatisierung der Trinkwasserversorgung. Zwar ist diese auf Grund des breiten Protests insbesondere aus Deutschland nicht das neue EU-Vergaberecht eingegangen. Die Diskussion hat jedoch die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit auf dieses nicht alltägliche Rechtsgebiet gerichtet. Weitgehend unbemerkt ist am 17.4.2014 das neue EU-Vergaberecht in Kraft getreten. Die drei Richtlinien verpflichten den Bundesgesetzgeber bis April 2016 zur Umsetzung in nationales Recht.

Zur Anwendung kommt das Vergaberecht bei der Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand. Darüber hinaus ist das Rechtsgebiet von ungeahnt weiter Bedeutung, da es deutlich über die Beschaffung von Bau- und Lieferleistungen durch öffentliche Gebietskörperschaften hinausgeht. Das Vergaberecht gilt auch für Sektorenauftraggeber, die im Bereich der Trinkwasserversorgung, Energieversorgung oder des Verkehrs tätig sind – und zwar unabhängig davon, ob die öffentliche Hand an den Unternehmen beteiligt ist. Eigen- und Beteiligungsgesellschaften der öffentlichen Hand müssen Vergaberecht ebenso beachten wie gewerbliche Subventionsempfänger, die häufig erst im Rahmen der Mittelverwendungsprüfung die unangenehmen Folgen eines Verstoßes gegen Vergaberecht erkennen.

Die drohende Nichtigkeit von Verträgen sowie der drohende Verlust von Fördermitteln dürften ausreichende Gründe dafür sein, sich vergaberechtlich rechtzeitig qualifiziert beraten zu lassen. Hinzu kommt, dass EU-weit ein Beschaffungsvolumen von etwa 425 Mrd. € (3,4 % des BIP der EU) dem EU-Vergaberecht unterfällt. Auch bei wirtschaftlicher Betrachtung handelt es sich somit um keine Marginalie.

Ambitionierte Ziele

Die neuen EU-Vergaberechtsrichtlinien streben eine Vereinfachung und Flexibilisierung der Vergabeverfahren, eine Erweiterung der elektronischen Vergabe sowie die Verbesserung des Zugangs für kleine und mittlere Unternehmen zu Vergabeverfahren an. Neben der wirtschaftlichen Beschaffung sollen künftig strategische Aspekte zur Erreichung sozialer und umweltpolitischer Ziele berücksichtigt werden können. Das neue Vergaberecht soll einfacher und praxisgerechter werden und zu einer Steigerung der Qualität und des Preis-Leistungs-Verhältnisses führen.

Einige wesentliche Änderungen werden nachfolgend vorgestellt und eine Einschätzung abgegeben, ob diese Ziele voraussichtlich erreicht werden.

Niedrigster Preis künftig nicht allein ausschlaggebend

Neben dem Preis können künftig die Qualität, Umwelt- oder Sozialaspekte, Innovation und Lebenszykluskosten nach einer Beschaffung berücksichtigt werden. Allerdings bleibt es weiterhin möglich, den niedrigsten Preis als alleiniges Zuschlagskriterium zu wählen. Der häufig von Beschaffer- und Anbieterseite geäußerten Kritik, dass Vergaben stets an den Bieter mit dem niedrigsten Preis ungeachtet der Qualität erfolgen, wurde somit Rechnung getragen.

Flexiblere Verfahren

Künftig können die Auftraggeber leichter ein Verhandlungsverfahren statt förmlicher Vergabeverfahren wählen. Auch die Verfahrensart „wettbewerblicher Dialog“ wurde vereinfacht. Der Umfang der von den Bietern mit der Bewerbung vorzulegenden Nachweise wurde deutlich reduziert: Nur der Bieter, der den Zuschlag erhält, muss sämtliche Nachweise beibringen. Für die Beteiligung an einer Ausschreibung genügt künftig eine ehrenwörtliche Erklärung, dass die Teilnahmebedingungen erfüllt werden.

Die neuen Verfahrensregeln lassen eine deutliche Reduzierung des Verwaltungsaufwands für Auslober und Bieter erwarten.

Prävention von Interessenkonflikten, Vetternwirtschaft und Korruption

Im Falle von Interessenkonflikten sind die Betroffenen vom Verfahren auszuschließen. Wann dies der Fall ist, regelt die Richtlinie explizit, um Vetternwirtschaft zu vermeiden.

Wer als Bieter versucht, einen öffentlichen Auftraggeber zu beeinflussen oder falsche Erklärungen abgibt, läuft Gefahr, vom Vergabeverfahren ausgeschlossen zu werden. Zudem müssen alle Angebote ausgeschlossen werden, deren außergewöhnlich niedriger Preis auf Verstöße gegen Sozial-, Arbeits- oder Umweltschutzbestimmungen zurückzuführen ist.

Elektronische Vergabe

Die vollständig elektronische Durchführung von Vergabeverfahren, die bislang nur optional war, wird ab spätestens Oktober 2018 als grundsätzlich verbindlich vorgeschrieben.

Neue Verfahrensart

Die „Innovationspartnerschaft“ ergänzt die bestehenden Vergabearten. Sie ist an das Verhandlungsverfahren angelehnt und für Forschungs- und Entwicklungsaufträge konzipiert. Auftraggeber sollen sowohl die Entwicklung als auch den anschließenden Kauf eines neuen, innovativen Produkts in einem Vergabeverfahren durchführen können.

Kodifikation der Konzessionsvergabe

Bei einer Konzession erhält das begünstigte Unternehmen neben oder an Stelle einer Vergütung das befristete Recht zur Nutzung bzw. Verwertung der ihm übertragenen Leistungen. Der Konzessionär übernimmt damit wesentliche unternehmerische Risiken (z.B. Lkw-Maut auf Autobahnen) – im Gegensatz zum Auftragnehmer eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages.

Solche Konzessionsvergaben werden nun erstmalig umfassend kodifiziert. Daher erfordern jetzt auch Dienstleistungskonzessionen ein wettbewerbliches Vergabeverfahren.

Fazit

Die Änderungen sind hinsichtlich ihrer Zielsetzungen zu begrüßen. Ob tatsächlich die Rechtssicherheit für Unternehmen und öffentliche Auftraggeber erhöht und der Beteiligungsaufwand bei Ausschreibungen reduziert wird, bleibt abzuwarten.

Kritisch – weil manipulations- und streitanfällig – zu sehen sind die Regelungen zur Berücksichtigung strategischer Beschaffungsaspekte.

Erfreulich ist die Kodifikation des Konzessionsvergaberechts, die der immer häufiger anzutreffenden Aufgaben- und Risikoverteilung zwischen Auftraggeber und Privatwirtschaft in Form von zeitlich befristeten Kooperationsmodellen Rechnung trägt.

Unterlagen zum Download

Mandantenbrief Juli 2014
Modernisierung des EU-Vergaberechts – Bundesgesetzgeber muss bis April 2016 handeln
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